Wir haben den Chapmans Peak Drive und die vielen Katzenaugen auf der Strasse also erfolgreich bewältigt und sind trotz des massiven Sturms recht gut wieder auf die nächste und für kurze Zeit flache Passage der Strecke gekommen.
Auf dem Bergab-Stück hatten wir eine kleine "biologische Pause" an einer der Verpflegungsstellen. Diese sind nämlich vorbildlich mit portablen Toiletten ausgestattet. Allerdings waren die Türen der Häuschen auch als Mordwaffe tauglich - der Wind war so heftig, dass Hein mich mit der Türe fast erschlagen hätte, als er wieder herausgekommen ist. Aber gut - "Hinsehen" war ja auch meine Aufgabe ;)
Ab ca. km 37 geht es ein paar km auf einer welligen Strecke durch Hout Bay zum echten Scheidepunkt des Rennens - der Marathon-Marke und der anschließenden 4 km Bergpassage zum Constantia Nek.
Weltrekordler...
Eine von Hein's faszinierenden Aktionen von denen er mir unterwegs berichtet hat, war sein zweimaliger Weltrekord als schnellster blinder Autofahrer. Ja genau. Autofahrer. Er ist selbst gefahren...
Den aktuellen Weltrekord hat er 2009 in einem Mercedes AMG 65 SL Black Series aufgestellt.
Das Tempo: 322.52 km/h
Ich habe mich immer gefragt: "Woher hat er gewusst, wo er hinfahren muss?"
Er erklärte mir, dass er einen Beifahrer hatte, der ihm Instruktionen gegeben hat. Man denke nur mal kurz an das Vertrauen des Beifahrers in Hein...
Dabei waren die Instruktionen nicht, wie vielleicht vermutet, eine Anweisung nach rechts oder nach links zu fahren. Nein. Das wäre zu ungenau gewesen. Stattdessen hatten sie die Fahrbahnbreite in Nummernsektoren aufgeteilt. 1 war ganz rechts, 9 war ganz links. Ziel war es, auf der 5 zu fahren - in der Fahrbahnmitte.
Somit hat also der Beifahrer permanent die Zahl gesagt und Hein wusste, ob er so weiterfahren kann oder nicht.
Ein Video zu diesem Rekord sieht man hier...
Marathon-Marke
Die Marathon-Marke erreichten wir nach 4 Stunden und 17 Minuten. Für eine Marathon-Zeit natürlich langsam, aber für das Ziel "unter 6 Stunden" ziemlich gut im Plan. Aber nur ziemlich gut. Wir lagen damit 2 Minuten hinter der Zeit vom letzten Jahr (Bericht Two Oceans Ultra Marathon 2012), in dem ich als 6-Stunden-Tempomacher unterwegs war. Damals kamen wir dann nach 5h 51 min ins Ziel. Also wusste ich, dass wir noch ein wenig Luft hatten...
Kurz hinter der Marathon-Marke geht dann, erst langsam, dann brutal, der Anstieg zum Constantia Nek hoch. Da Hein noch stark genug war, konnten wir den Anstieg recht lange laufen. Die letzten beiden km sind wir jedoch, wie auch 2012, gehend nach oben gekommen.
Am Constantia Nek (ca. km 46) |
Oben angekommen hatten waren wir weiterhin nur 2 min hinter der 2012-er Zeit und ich war mir sicher, dass Hein auf den letzten 10 km etwas schneller sein könnte als meine letztjährige Gruppe.
Die letzten 10 km...
Vom Constantia Nek aus geht es auf einer herrlichen Strecke immer wieder bergauf und bergab. Mit 46 km in den Beinen wird man dann doch müde. Auch Hein. Aber wir konnten relativ flott laufen und jetzt war die Zeit gekommen, in der wir viele Läufer überholt haben.
Auch jetzt war das Feld noch immer eng beisammen, doch es gab eine Taktik, um problemlos überholen zu können:
Auf den Startnummern der Läufer ist neben der Nummer auch der Vorname abgedruckt. Also habe ich den Namen gerufen und darum gebeten, ein wenig nach rechts oder links zu gehen. Was auch immer funktioniert hat.
Naja. Fast immer: Eine Läuferin hat dank ihrer Kopfhörer von der Umwelt nichts mitbekommen und uns beim Überholen etwas Probleme gemacht. Wieder ein Grund, warum ich nicht müde werde darum zu bitten, bei Wettkämpfen NICHT mit iPod, etc. zu laufen. Außerdem ist das in meinen Augen egoistisch und unsportlich. Schließlich gehört zu einem solchen Wettbewerb auch das gegenseitige Unterstützen.
Warum dieser Blog Sinn macht...
Irgenwann auf diesen letzten km haben wir wieder einen Läufer überholt und der meinte plötzlich, ob ich letztes Jahr der 6-h-Tempomacher war. Das bejahte ich und fragte zurück, ob er damals mit mir gelaufen sei.
"Nein" entgegnete er - aber er habe meinen Blog gelesen und folge meiner Renntaktik von damals, die ich in diesem Post niedergeschrieben habe: "How to run a sub 6 h Two Oceans Ultra Marathon". Ich bin mir sicher, dass er sein Ziel erreicht hat!
Das war eine tolle Bestätigung dafür, dass dieser Blog sogar aktiven Teilnehmern des Laufes weiterhilft.
Zieleinlauf
Auf den letzten km konnten wir tatsächlich wieder etwas Zeit gut machen.
Kurz vor dem Ziel (das Gummiband ist hier gut zu sehen) |
Somit sind wir nach 5 Stunden 50 Minuten in den Zielbereich eingelaufen. Es gab noch 2 kleine Hindernisse auf der Strecke (der Übergang vom asphaltierten Bereich auf den Rasen der Uni Kapstadt und einen Kabeltunnel), bei denen ich Hein hinüberleiten musste.
Und dann waren wir da!
Das Ziel in unter 6 Stunden wie geplant erreicht |
Hein war überglücklich, so gut durch seinen ersten Ultra-Marathon gekommen zu sein und ich war glücklich, dass wir die Zielzeit erreicht und ich Hein nicht habe stürzen lassen.
Hier gibt es auch das Video zum Zieleinlauf von Hein und Axel beim Two Oceans 2013...
Fazit
Der Lauf mit Hein war ein emotionaler Höhepunkt meiner Läuferkarriere. In 2012 habe ich eine große Gruppe von Läufern zu ihrem persönlichen Ziel geführt.
Dieses Jahr war es eigentlich nur eine Person. Doch Hein und ich konnten durch diesen Lauf so viele Menschen inspirieren, dass die Wirkung weit über 2012 hinaus geht. So hatte ich bei einem Vortrag ein paar Tage nach dem Two Oceans rund 100 Zuhörer, als ich über den Lauf berichtet habe und die Rückmeldungen über E-Mail und Facebook waren toll.
Ich würde es immer wieder machen.
Im Ziel |
Das Motto des 2013 Two Oceans war "Run for more than yourself" ("Laufe für mehr als nur Dich selbst") - und ich kann sagen, dass es sich vielfach lohnt, nicht nur für sich selbst zu laufen!
Schließen darf ich mit einer von Hein's markanten Aussagen, die er als Motivationssprecher nutzt wenn es darum geht, was man (angeblich) nicht erreichen kann:
"Ich bin blind. Und was ist Deine Ausrede?"