Bestzeiten/Personal best:

Bestzeiten/Personal best
10 km: 42 min 53 sec (2011) *** 21,1 km: 1h 37min 35sec (2009) *** 42,2 km: 3h 30min 33sec (2009) ***
56 km (Two Oceans):
4h 54min 00sec (2011) *** 89 km (Comrades uphill): 8h 49min (2015)


Dienstag, 14. Mai 2013

Bericht 2013 Two Oceans Ultra Marathon (56 km) Kapstadt (Teil 1 von 2)- 30.03.2013

Zu meinem fünften Two Oceans Marathon stellte sich im Vorfeld eine gewisse Routine ein. Kein Vergleich zu der Zeit, als ich vor meinem allerersten Two Oceans 2009 (Bericht: erster Two Oceans Ultra Marathon von Axel Rittershaus 2009) stand. Das hat Vorteile, denn mit beruhigten Nerven schläft es sich besser.

Meine Rennbekleidung (die 40 auf der Nummer deutet auf meine Alterskategorie hin)


Am Vortag zum diesjährigen Two Oceans habe ich meine Tempo-Strategie nochmals genau angesehen und auf den Lauf zusammen mit dem blinden Abenteurer und Motivations-Sprecher Hein Wagner angepasst.  Unser Ziel war ein Finish nach ca. 5 Stunden und 45 Minuten - denn für Hein sollte dieser Ultra, sein erster überhaupt, "nur" ein Trainingslauf für den zwei Wochen später stattfindenden Ironman (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren, 42,2 km Laufen) in Port Elisabeth (Südafrika) sein.

Wir trafen uns gegen 6 Uhr morgens am Start, der aufgrund des Rekord-Teilnehmerfeldes von über 16.000 Halbmarathon- und fast 10.000 Ultra-Marathon-Läufern gut gefüllt war. Zum Glück hatte ich Unterstützung bei der Suche nach Hein durch meinen Freund Andrew Shepherd, der heute ebenfalls seinen ersten Two Oceans Ultra laufen wollte (und es auch geschafft hat!).  Schließlich konnte Hein mich ja nicht suchen ;) und wir hatten uns am Vortag das erste mal getroffen (siehe auch mein Bericht zum ersten Testlauf mit Hein Wagner)

Das Wieder"sehen"...

Rund 30 Minuten vor dem Start gingen wir in unseren Startblock C und das erste großartige Erlebnis begann:
Hein hatte mir im Vorfeld gesagt, dass es immer gut ist möglichst weit vorne zu starten. Schließlich ist es viel leichter für die sehenden Läufer an uns vorbeizukommen als umgekehrt für uns andere Läufer zu überholen. Dies gilt ganz besonders für die ersten Kilometer eines gut besuchten Laufes.
Also versuchten wir im bereits gefüllten Startblock durch die Reihen der Läufer nach vorne zu kommen.

Mit den Worten "darf ich bitte durch, ich habe einen blinden Läufer an meiner Seite" wurde ich ohne blöden Kommentar, ohne blöde Blicke oder jegliche unangebrachte Reaktion nach vorne durchgelassen. Gänsehaut! Dabei traf ich auch einige Freunde aus meinem Laufclub (AAC) und in windeseile waren wir in der vordersten Reihe unseres Startblocks.

Die Magie begann... 

Denn noch im Startblock gab es erste Gespräche mit Hein und mir, wie wir denn das Rennen angehen werden. Aufgrund von Hein's vielen vorherigen Abenteuern, z.B. dem 8-tägigen Mountainbike Rennen "Cape Epic", das er auf einem Tandem (!) absolviert hat, ist er unter Sportlern in Südafrika wohl bekannt. So ergab es sich schon beim Start, dass er auf vertraute Personen traf. Toll!

Hein fragt übrigens, sobald er angespochen wird, nach dem Namen der Person die zu ihm spricht. Und er hat ein sensationelles Gedächtnis, was ich auf den folgenden 56 km noch erleben durfte.

Der Start...

Pünktlich wie gewohnt ging es um 6.30 Uhr für Hein, mich und rund 10.000 weitere Ultraläufer auf die Strecke. Dieses Jahr waren ca. 30% "Neulinge" dabei!

Die Strategie, vorne zu starten, war sehr gut. So konnten wir problemlos unser Tempo angehen und mussten nicht auf Läufer achten, die wir hätten überholen müssen.

Ganz entspannt ging es aber dennoch nicht, denn bei Laufevents ist es üblich, dass sich die Läufer bei kühlen Temperaturen (wir hatten ca. 10°C) am Start mit Müllsäcken vor der Kälte schützen. Nach dem Start werden diese weggeworfen - meistens vorbildlich in Mülltonnen oder an den Straßenrand. Aber leider gibt es auch Läufer, die die Müllsäcke einfach fallen lassen.

Schon so mancher sehende Läufer hat sich beim Start in einem solchen Sack verheddert und ist gestürzt. Für Hein und mich war das eine echte Herausforderung. Soweit möglich sind wir entweder um die Säcke herumgekurvt oder ich habe sie beim Laufen von der Strasse weggerissen und zur Seite geworfen. Ja, das geht...

Die ersten 20 km...

Laut Wettervorhersage sollten wir dieses Jahr ohne Regen auskommen und durch einen bewölkten Himmel vor der Sonne geschützt sein. Allerdings war Wind vorhergesagt und wer schon einmal in der Kapregion unterwegs war, der weiß, was Wind hier bedeutet: heftiger Sturm!

Auf den ersten 10 km war es jedoch wunderbar windstill und wir kamen sofort in einen sehr guten Laufrhythmus. Ständig wurden Hein und ich angesprochen und motiviert - von "normalen" Läufern die aufgrund des Gummibandes zwischen Hein und mir unsere besondere Partnerschaft erkannt haben, von Clubkameraden Hein's und aus meinem Club sowie natürlich von Menschen die Hein aufgrund seiner Abenteuer kennen. Leider ist mein Afrikaans nicht wirklich gut ;) und so mancher musste dann nochmals auf Englisch wiederholen, was er oder sie mir sagen wollte. Oder Hein war mein Dolmetscher.

Unser Laufrhythmus war erstklassig und ich musste Hein sogar regelmäßig etwas bremsen.

Genau das war auch seine Befürchtung im Vorfeld gewesen: Dass er sein normales Lauftempo anschlagen würde und damit viel zu schnell wäre, um den Lauf gut beenden zu können.

Zeitlich lagen wir nach 20 km knapp 2 Minuten hinter unserem Plan. Das war völlig in Ordnung, schließlich hatte ich auf 5 Stunden 45 Minuten kalkuliert und das Ziel war einfach nur "unter 6 Stunden".

Über Hein...

Wir haben uns die ganze Zeit über sehr angeregt unterhalten.

Darüber, wie schwer es für Hein war, als Kind und Jugendlicher mit seiner Blindheit umgehen zu lernen. Hein ist von Geburt an blind und das einzige was er sehen kann, beschreibt er damit, dass tagsüber das grau etwas heller und nachts das grau etwas dunkler ist. Er sieht keine Konturen oder Umrisse. Nichts.

Hein hat sich nie damit abgefunden, dass er als Blinder bestimmte Dinge nicht machen könne (wie z.B. einen Ultra-Marathon laufen). Als kleiner Junge wollte er Fahrrad fahren lernen und nach diversenen Stürzen in der Hofeinfahrt lernte er, die akustischen Reflektionen der Pedale am Bordstein zu erkennen - und so zu wissen, wie weit er vom Bordstein entfernt war. Also konnte er endlich das tun, was er wollte: gegen die sehenden Kinder ein Rennen fahren. Das hat er gemacht und zwar 35 km lang!

Faszinierend waren seine Geschichten über seine Zeit als Vertriebler und später als Vertriebsleiter. Er sagt, er konnte in Besprechungen mit Kunden sofort erkennen, wer auf Kundenseite schon überzeugt war, wer in welcher Körperhaltung gesessen ist und wer noch Bedenken hatte. So hat er sich sofort auf diejenigen konzentriert, die noch nicht für den Kauf waren - und am Ende war er erfolgreich. Die Kunden waren immer fasziniert davon ;)

Mehr zu ihm im Verlauf des Berichts.

Zurück zum Rennen...

An den Wasserständen habe ich für Hein immer etwas mitgenommen und ihm gegeben. Denn die Helfer an den Ständen können natürlich bei dem Tempo der Läufer nicht erkennen, dass er einfach nicht sieht, wo sie ihm das Wasser hinhalten...

Auch nach 20 km war das Feld noch sehr dicht und somit ist Hein die gesamte Distanz in direktem Kontakt zu mir gelaufen. Es gab nämlich zwei Möglichkeiten für mich ihn zu führen:
  1. Er hält mit seiner linken Hand meinen rechten Ellenbogen. So kann ich einigermaßen normal laufen und er spürt sofort und direkt, wenn ich eine Richtungsänderung vornehme
  2. Er läuft "frei" und spürt anhand des ca. 50 cm langen Gummiseils zwischen uns (das ebenfalls an meinem rechten Arm und seiner linken Hand befestigt war) wo ich bin

In den Vorjahren war mir nie so bewusst geworden, wie dicht das Läuferfeld auch nach vielen km noch ist. Alleine ist es ja auch leicht, um die anderen Läufer herumzukurven. Mit Hein an der Seite, also doppelt so breit wie sonst, wird das eher schwierig.

Erster Berg...

Nach gut 32 km kam die erste markante Stelle: der Chapmans Peak Drive. Eine landschaftlich traumhaft schöne Strecke über ca. 3 km Länge und einem Anstieg von mehreren hundert Höhenmetern. Allerdings zieht sich der Anstieg sehr angenehm in die Länge. Man muss nur das richtige Tempo laufen, und alles geht gut.

Die Herausforderung auf diesem Streckenabschnitt waren die "Katzenaugen" - die kleinen Reflektoren in der Straßenmitte die Autofahrer darauf hinweisen, wenn sie ihre Fahrbahn verlassen. Hein hatte ordentlichen Respekt davor, denn diese kleinen Reflektoren ragen ca. 2 cm aus der Fahrbahn hervor. Bei vielen Rennen habe ich so manchen Läufer darüber stolpern sehen. Sehende Läufer!

Somit war Hein auch hier permanent an meinem Ellenbogen und wir haben viel Abstand zu den Katzenaugen gehalten. Es gab eine einzige kurze Berührung von Hein mit einem der Reflektoren, aber dies war unkritisch. Dennoch es war eine Erinnerung an mich, die Augen permanent offen zu halten.

Hein Wagner & Axel Rittershaus beim Two Oceans Marathon 2013 am Chapmans Peak Drive


Der Sturm...

Nahezu auf die Minute genau wie geplant kamen wir am obersten Punkt des Chapman Peak Drives an. Direkt in der dortigen Kurve stand ein Helfer und schrie uns entgegen "Haltet Eure Mützen fest".

Ich nahm dies zum Glück ernst, ergriff meine Mütze und wusste 5 m später warum....

Ein nahezu atemberaubender (im wahrsten Sinne des Wortes) Sturm kam uns entgegen. Wir sind fast stehengeblieben - obwohl wir liefen. Das war unglaublich und Kap-typisch.

Die gesamte Bergabstrecke von ca. 4 km hatten wir mit diesem Sturm als Gegenwind zu tun. Meine Mütze habe ich ab dem Zeitpunkt nahezu ständig in der Hand gehalten ;)

Der Sturm hatte aber auch ein gutes: Wir sind nämlich dadurch davon abgehalten worden, zu schnell bergab zu laufen. Dies ist sonst eine große Gefahr und an dieser Bergabstelle hat so mancher seine Endzeit versaut, weil ein hohe Tempo bergab die Oberschenkel extrem beansprucht - und diese Anstrengung später ihren Tribut fordert.

Hier geht es zu Teil 2 des Berichts vom Two Oceans Ultra Marathon 2013 mit Hein Wagner und Axel Rittershaus...


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