Und es war der härteste...
Der diesjährige Comrades Ultra Marathon war ein sogennanter "Down Run" von Pietermaritzburg nach Durban über 89,2 km.
"Down" kann verführerisch klingen, doch bei der Streckenführung bewältigt man insgesamt 1200 m Anstieg und 1800 m Gefälle. Es geht also nicht einfach nur den Berg runter...
Das Wetter meinte es gut mit uns. Es war am Start nicht zu kalt (ca. 12°C) und es war die ersten Stunden überwiegend bewölkt. Die erste Stunde des Laufes, der um 5.30 Uhr für die rund 14,000 Läufer gestartet wurde, erfolgt ohnehin noch vor Sonnenaufgang.
Der war dann allerdings auch gleich richtig spektakulär, mit feuerrot beleuchteten Wolken.
Auf dem Foto sieht man meine Frau und unsere Freundin Julia. Beide haben schon ihren "Versorgungsposten" nach rund 30 km Strecke bezogen und den herrlichen Sonnenaufgang festgehalten.
Die ersten 30 km liefen bei mir wirklich gut. Ich habe mich sehr zurückgehalten und darauf geachtet ein Tempo von 6:00 - 6:30 min/km zu laufen.
Eine elementare Herausforderung des Comrades ist die Länge. Am Anfang ist man frisch und munter - doch jede Minute die man hier zu schnell angeht, bezahlt man mit dem Faktor 10 auf der zweiten Hälfte.
Außerdem war ich durch meine beiden Verletzungspausen vor und nach dem Two Oceans Ultra Marathon (56 km am 19.4.14) ohnehin nicht so vorbereitet wie ich es mir gewünscht hatte.
Zum Glück waren die ersten drei Monate des Jahres sehr gut gelaufen und ich hatte zum Startzeitpunkt des Comrades rund 1200 km seit dem 1.1.14 absolviert.
Nach 30 km bzw. 3 Stunden und 10 Minuten traf ich meine Frau und übernahm eine neue Ration an Verpflegung. Sportgels, Energieriegel, etc.
Axel Rittershaus nach 30 km beim 2014 Comrades Ultra Marathon |
Axel Rittershaus auf dem Stand von PinkDrive, Comrades 2014 |
Die rosa Ärmlinge muss ich wohl erklären...
Ich bin dieses Jahr für die Charity-Organisation "PinkDrive" unterwegs gewesen. Diese Organisation steht im Dienste der Krebsfrüherkennung und leistet unglaubliches. Insgesamt habe ich knapp R22,000 gesammelt (ca. Euro 1500).
All meinen Unterstützern und Spendern auf diesem Wege nochmals herzlichen Dank!
In Südafrika ist diese Organisation sehr bekannt und mit den rosafarbenen Stulpen zeige ich meine Unterstützung.
Im Namen der Organisation zu laufen hat mir später sehr geholfen.
Ich hatte mir im Vorfeld mein diesjähriges "Lauf-Mantra" ausgedacht und es war in diesem Jahr folgender Gedanke:
"Jemand in einer Krebstherapie hat keine Option, diese zu beenden. Also habe auch ich keine Option, den Lauf abzubrechen."
Dies war enorm hilfreich. Denn es ist normal, dass auf der langen Strecke einmal ein mentaler Tiefpunkt kommt, durch den man hindurch muss. Dieser Gedanke war aber schon so verinnerlicht, dass ich durch mein Tief, das mehr als 15 km und ca 1,75 Stunden gedauert hat, durchgekommen bin. Dazu später mehr...
Nachfolgend noch ein paar Stimmungsbilder von km 30:
Die beiden Damen in rot auf obigen Foto sind Olesya & Elena Nurgalieva. Die russischen Zwillinge domineiren den Ultra-Sport seit einem Jahrzehnt mit (zusammengenommen) 12x Comrades Siegen von 2003-2013 sowie 7x Two Oceans Siegen zwischen 2004 und 2012. Dieses Jahr sind sie 2. und 3. geworden.
Und auf dem folgenden Bild sieht man die beiden etwas entspannter - am Tag VOR dem Rennen :)
Olesya & Elena Nurgalieva & Axel Rittershaus, Comrades 2014 |
Nachfolgendes Bild zeigt ein wichtiges Detail. Ein rotes Schild mit der Aufschrift 59 km.
Wie bei jedem offiziellen Rennen findet man nach jedem km einen solchen km-Marker.
Das tückische beim Comrades: Man sieht nicht die bereits gelaufenen km. Sondern die NOCH zu laufenden.
D.h. das erste Schild, das man zu sehen bekommt, zeigt eine "89 km" Aufschrift.
Nicht wirklich ermutigend...
Obiges Schild steht somit bei 30 km gelaufen / noch 59 km zu laufen.
Es ist extrem wichtig, diese km-Marker zu ignorieren. Man kann durchaus registrieren, dass man einen weiteren km gelaufen ist. Auch das Stoppen der km-Zeit ist in Ordnung.
Aber man bringt sich um den Verstand, wenn man z.B. nach bereits gelaufenen 40 m auf dem Schild eine 49 sieht und sich fragt, wie man noch so lange laufen kann...
Zurück zum Rennen:
Der Stopp und das Treffen mit meiner Frau waren sehr schön und weiter gings.
Die Strecke ist weiterhin bergig und bis zur Halbzeit-Marke bei knapp 45 km geht es teilweise ordentlich den Berg hoch.
Der mächtige "Sub 9h Bus" - d.h. ein Tempomacher mit Gefolge, der in weniger als 9 Stunden ins Ziel kommen wird. Ich bin dieses Jahr zu langsam dafür... |
Ein weiterer Läufer für "PinkDrive" |
Ich war weiterhin konservativ unterwegs. Bei ca. km 35 traf ich einen der sehr starken (und ca. 10 Jahre jüngeren) Läufer meines Clubs wieder, der weit vor mit gelegen war. Er musste sein Tempo zurücknehmen, weil er wohl doch nicht von einer 2 Woche vorher zugezogenen Erklältung genesen war.
Die Halbzeit oder besser gesagt "Halbweg"-Marke erreichte ich nach ca. 4Stunden 40 Minuten.
Für meine Traumzeit von weniger als 9 Stunden zwar schon langsam, aber bei einer optimalen 2. Hälfte wäre da noch eine "Sub 9" möglich gewesen.
Doch die Strecke geht immer noch nicht bergab... Trotz "down run" :(
Ich war fast 5 Stunden unterwegs und jetzt schlug das Wetter zu.
Es wurde zunehmend warm und vor allem schwül. Ich habe jetzt (nach dem Rennen) gelesen, dass die Luftfeuchtigkeit auf fast 75% hochgegangen war.
Das hat mir mächtig zugesetzt.
Bei km 56 (33 to go) traf ich meine Frau wieder. Ich sah wohl noch ganz fit aus, da die umstehenden Zuschauer meinten "der schwitzt ja nicht einmal".
Aber ich spürte, dass es jetzt wirklich hart werden wird.
Axel und Silke Rittershaus bei km 56, Comrades 2014 |
Bei "31 km to go" begann meine Leidenszeit.
Nachfolgend ein Auszug meiner Laufleistung, aufgezeichnet mit meiner Polar RS400 Uhr. Die blaue, sehr stark gezackte Linie zeigt meine tatsächliche Geschwindigkeit.
Oben auf der Achse = schnell laufend
Unten auf der Achse = langsam gehend
Ich musste noch NIE in meinem Leben so viele Geh-Pausen machen wie bei diesem Lauf. Bei jedem km!
Das muss man sich einmal vorstellen: Ich laufe normalerweise (relativ) locker einen Marathon in 3Stunden 45 Minuten. Und jetzt kann ich nicht einen einzigen km durchlaufen!
Das verrückte daran: Es ging überwiegend bergab. Und ich konnte bergab nicht laufen sondern musste gehen...
Das ist mental ein echter Horror!!!
Ich habe es eine Zeitlang mit der "Straßenlampen-Taktik" versucht. Was das ist?
Man sieht eine Straßenlampe und sagt sich "ok, bis dorthin läufst Du noch und dann gehst Du von diesem Pfosten bis zum nächsten. Dann läufst Du wieder". Das hat anfangs noch geklappt. Später nicht mehr.
Ca. 16 km lang (von 31 - 15 km to go) habe ich gelitten wie irre.
Mein Glück war nur, dass ich weder Schmerzen noch Krämpfe hatte. Ich war nur so fertig, dass ich einfach nicht durchgehend laufen konnte.
Bei 15 km to go (d.h. km 76) fühlte ich mich langsam wieder etwas besser.
Man sagt, dass jeder Läufer einmal eine schwierige Phase während des Comrades durchmacht. Manchmal kurz, manchmal lang. Meine war über 1,75 Stunden lang. Lang....
Bei 9 km to go fühlte ich mich wieder wie ein Lebender. Es war ein unglaubliches Glücksgefühlt, als ich erstmals wieder einen km (84 - 85) durchlaufen konnte.
Doch sogar auf den finalen 1500m musste ich nochmals kurz gehen, aber wirklich nur ganz kurz.
Während der Leidenszeit habe ich meiner Frau immer wieder SMS-Nachrichten geschickt, damit sie ungefähr weiss, wann ich ins Ziel komme.
Sie hat mir immer wieder aufmunternde SMSe zurückgeschickt.
SMS-Schreiben und -Lesen war übrigens immer ein sehr guter Grund für eine Walk-Pause :)
Bei ca. 9 km to go hatte ich wieder Hoffnung, in weniger als 10 Stunden ins Ziel zu kommen. Das war mein Minimalziel.
Und dann kam das Stadion in Sichtweite und ich war erleichtert wie noch nie zuvor!
Mit 9 Stunden 46 Minuten war ich 20 Minuten langsamer als bei meiner Bestzeit. Aber was soll es.
Mit den Verletzungen vor und nach dem Two Oceans, also kurz vor dem Comrades, kann ich froh sein, überhaupt gelaufen zu sein. Schmerzfrei!
Das "PinkDrive" Team hatte im Stadion eine der Logen im Rugby-Stadion zur Verfügung gestellt bekommen.
Dort gab es Bier (das beste Getränk nach einem solchen Lauf) sowie eine Fuß- und Schulter-Massage. Das war genial!!!
Wir blieben dann noch bis zum dramatisch-tragischen Ende des Comrades.
Nach 12 Stunden ist Zielschluss. Wer 1 Sekunde später ankommt, ist offiziell nicht angekommen!
Das Stadion tobt in den letzten Minuten, um möglichst viele Läufer noch über die Ziellinie zu bringen. Es ist sehr bewegend dort zu stehen und zu wissen, dass diese Läufer so wie man selbst um 5:30 Uhr morgens gestartet sind und jetzt wegen einiger Sekunden oder Minuten ihre Medaille verpassen.
Die offiziellen Zahlen:
Starters: 14620
Finishers: 11984
Zurück im Hotel gab es noch eine schöne Überraschung: Das Hilton Hotel Durban hat aus den bisherigen Comrades' gelernt - und stand mit einem großen Eis-Wagen an den Aufzügen.
Nein, kein Vanille- oder Schoko-Eis.
Eiswürfel für ein Eisbad natürlich!!!
Nach einer langen heißen Dusche habe ich tatsächlich noch ca. 10 Minuten ein Eisbad für die Beine gemacht. Das ist zwar kalt, aber gut :)
Und danach gab es viel, gutes Essen, Bier und Nachtisch. Schließlich habe ich ca. 8000 kcal verbrannt...
Die Comrades Medaille ist übrigens bei weitem die kleinste, die sich in meiner Sammlung findet :)
Ich danke von Herzen allen Spendern für PinkDrive, allen Freunden und der Familie, für die aufmunternden Worte und Gedanken vor dem Rennen.
Vor allem Danke ich meiner Frau für ihre Top-Unterstützung an der Strecke. Silke, ich liebe Dich!