This is the German version of my race review, you can read the English one here...
Es ist der 7. April 2012 und es ist mein Geburtstag. Doch dieser Geburtstag ist anders - er beginnt mit dem Weckerklingeln um 3.30 Uhr. Wobei ich den Wecker gar nicht gebraucht hätte, denn ich lag schon seit 2.30 Uhr wach im Bett. Ganz typisch, vor einem Ultra Marathon...
Der erste Blick ging nach draussen: Die Wettervorhersage hatte leichten Regen ab ca. 8 Uhr und starken Regen ab ca. 11 Uhr prognostiziert - aber man weiss ja nie. Doch es sah sehr vielversprechend aus mit aufgelockerter Bewölkung.
"Vielleicht habe ich ja Glück", dachte ich mir. Gut, dass ich nicht wusste, was auf mich zukommt...
Mein Geburtstagsgeschenk ist meine 4.Teilnahme am Old Mutual Two Oceans Ultra Marathon über 56 km in Kapstadt. Und als Krönung laufe ich dieses Mal nicht für mich, sondern als 6-Stunden Tempomacher ("PUMA Pacer") für viele andere Läufer, die sich Ihren Traum einer "sub 6" Zeit erfüllen wollen.
Beim Two Oceans Marathon gibt es unterschiedliche Medaillen, die von der erreichten Endzeit abhängen. Für die Läufer, die nach 5 - 6 Stunden ins Ziel kommen, gibt es die Bronze-Medaille, für 6-7 Stunden eine blaue Medaille und wer nach 7 Stunden 00 Minuten und 01 Sekunden im Ziel ist erhält: gar nichts. Es gibt in Südafrika ein konsequentes "Cut Off"-Prinzip, das ich sehr begrüsse.
Also schnell gefrühstückt, (1 Kaffee, 3 Scheiben Toast) und die Verpflegung in die Hosentaschen verstaut. Die Banane nehme ich mit zum Start und esse sie ca. 30 Minuten bevor der Startschuss fällt.
Meine Rennverpflegung |
Damit ich als Tempomacher von allen Läufern gut zu sehen bin, habe ich eine 1,8 Meter lange Holzstange mit einem Wimpel bekommen auf dem "6:00" zu lesen ist. Das bedeutet: ich laufe ein Tempo, mit dem wir in weniger als 6 Stunden im Ziel ankommen.
Da es sehr mühsam wäre, eine solche Stange 6 Stunden lang in der Hand zu tragen, habe ich den von PUMA gelieferten Rucksack als "Fahnenhalter" umfunktioniert. Meine Frau hat eine Befestigung drangenäht, so dass die Stange Wind und Wetter aushalten sollte. Das war auch nötiger als gedacht...
Um meine Mitläufer etwas aufzumuntern, habe ich noch ein zusätzliches Schild angebracht. Das hat zu vielen Glückwünschen und mehreren "Happy Birthday" Gesängen geführt. Sehr, sehr schön!
Mein Rucksack für die 6:00 Fahne (am 1,8m langen Holzstab befestigt) und die Einladung zu meiner "Geburtstagsfeier im Laufen"
Am Vortag habe ich 3-4 Stunden lang kalkuliert, wie ich den Lauf am besten angehe. Meine Pacing-Strategie beschreibe ich in einem andern Blogeintrag, aber das Ergebnis sieht man auf diesen drei Zetteln. Zwei davon habe ich am Arm getragen und den dritten zur Sicherheit in der Hosentasche mitgeführt. Es wäre nämlich eine Katastrophe gewesen, als Tempomacher nicht mehr zu wissen, wie ich das Tempo in den schwierigen Passagen angehen wollte...
Meine Rennstrategie in 3-facher Ausfertigung
Nach kurzer Fahrt mit dem Motorroller konnten meine Frau und ich uns gut durch Autoschlangen hindurch zum Startbereich durchschlängeln und nur wenige Meter vom Start entfernt parken. Denn bei erwarteten 25.000 Läufern (16.000 für den Halbmarathon um 6:00 Uhr und 9.000 für den Ultra um 6:25 Uhr) war ein großes Verkehrsaufkommen ganz natürlich.
So kamen meine Frau und ich ganz entspannt zum Start und trafen gleich 3 Freunde, die gemeinsam mit meiner Frau den Halbmarathon in Angriff nehmen wollten.
Nachdem sich meine Frau und unsere Freunde zum Halbmarathon-Start eingereiht haben, konnte ich noch ganz entspannt die vielen aufgeregten Läufer beobachten. Ein tolles und beeindruckendes Erlebnis.
Ca. 30 Minuten vor dem Start ging auch ich in meinen Startblock C, um dort meinen 2. "Busfahrer" des "6 Stunden Busses" zu treffen. In Südafrika werden Tempomacher nämlich Busfahrer genannt und die Läufer die mit ihm mitkommen sind dann gemeinsam der Bus.
Der 2. Busfahrer war sehr aufgeregt, da er noch nicht so oft unter 6 Stunden ins Ziel gekommen war. Ich war deutlich entspannter, da meine letztjährige Bestzeit mit 4 Stunden 54 Minuten rund eine Stunde schneller ist als meine für heute angestrebte 5 Stunden 50 Minuten Endzeit.
Es kamen dann immer mehr Läufer dazu, darunter auch Kathrin aus Deutschland, die ich bei der Expo kennen gelernt hatte, die sich in meinen Bus einreihen wollten.
Pünktlich um 6:25 Uhr fiel der Startschuss bei ca. 17°C und starker Bewölkung.
Die Wettervorhersage hatte wie schon erwähnt leichten Regen ab ca. 8 Uhr und starken Regen ab ca. 11 Uhr prognostiziert. Momentan war es trocken, also alles ok.
Leider hatten die Wetterfrösche nicht ganz recht...
Nach 30 Minuten begann es zu nieseln, dann zu regnen und dann zu schütten. Unermüdlich. Unerschütterlich ohne Unterlass. Hinzu kamen regelmäßig kräftige Böen und Wind, der einem vor allem mental zusetzen konnte. Doch auch körperlich war es nicht ganz so toll, denn mit komplett durchnässten Klamotten und Schuhen kann man sogar beim Laufen zu frieren beginnen...
Als Tempmacher ist es sowohl meine Aufgabe, die Truppe zeitgerecht ins Ziel zu bringen, als auch zu motivieren und zu unterhalten.
Also haben wir ab und zu gesungen, viel geredet und ich habe ihnen sogar etwas Deutsch beigebracht.
Das gute alte "Zicke Zacke" - "Heu Heu Heu" war sofort verständlich.
Allerdings ist aus dem "Heu Heu Heu" im Laufe der Zeit ein "Huuu Huuu Huuu" geworden. Vielleicht ein Effekt der Kälte ;)
Aber es hat tierisch viel Spass gemacht.
Es gab von Anfang an drei unermüdliche Mädels Kathrin, Julie und Anesca die wie "Wingman" um mich rumgeflitzt sind. Alle meinten, sie wären froh wenn sie möglichst lange an mir dranbleiben können, denn sie waren eher skeptisch, ob sie die 6 Stunden packen würden.
Doch sie haben eisern mitgemacht und sich sogar den eigentlich unvermeidlichen Gang auf die Toilette unterwegs verkniffen, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Alle 15 - 20 Minuten habe ich über unseren "Busfahrplan" informiert und wir waren immer wie geplant unterwegs.
Habe ich schon erwähnt, dass es geschüttet hat wie aus Kübeln? Ja, das hat es...
Meine Taktik: Die ersten 28 km zügig unterwegs sein (ca. 5:55 min/km), um für die zweite Hälfte Puffer zu haben. Wäre das Rennen komplett in der Ebene gewesen, wäre eine Tempo von 6:25 min/km ausreichend gewesen. Doch wir sind nicht in der Ebene glaufen, also mussten wir am Anfang etwas Vorsprung herauslaufen.
Die Taktik ist zu 100% aufgegangen.
Den Anstieg zum Chapmans Peak Drive von km 29 bis km 33,5 konnten wir langsameren Schrittes zurücklegen. Danach habe ich permanent darauf hingewiesen, die folgenden 4 km bergab nicht zu schnell zu werden - und viele haben sich daran gehalten.
Danach habe ich allen den Mund wässrig gemacht, indem ich ihnen eine ganz lange Walk-Pause in Aussicht gestellt habe.
Ab km 42 folgte der starke Anstieg zum Constantia Nek, der von km 44 - 46 teilweise bis zu 10% Steigung hat. Diese Strecke "durften" alle fast komplett gehen - das war eine Begeisterung bei meinen Mitläufern!
Also sind wir tatsächlich ab km 44 für 20 Minuten nur gegangen. Damit konnten sich alle erholen und hatten genug Reserven, um ab der Anhöhe die letzten 10 km relativ locker angehen zu können.
Während der Gehpause habe ich immer wieder darauf hingewiesen, dass wir genau im Plan lagen - denn ab und zu kamen Läufer vorbeigelaufen und manch einer wurde nervös und versuchte wieder zu traben. Nach meinem Hinweis gingen auch diese sofort wieder anstatt zu laufen.
Die letzten 10 km sind eine Nervenprobe und so mancher hat seine gute Endzeit hier verspielt, weil er die leichten Abwärtspassagen zu schnell gelaufen ist. Mit 46 km in den Beinen sind die Oberschenkel nicht mehr so locker und bergab sind bei zu hohem Tempo Krämpfe an der Tagesordnung.
Mit regelmäßigen "Ermahnungen" meinerseits sind viele ganz diszipliniert gelaufen und am Ende, bei km 53, gab es zur Belohnung nochmals 300 m Walking auf einem kurzen aber giftigen Bergstück.
Zur zusätzlichen Belohnung kam für 30 Sekunden die Sonne raus...
...um danach durch einen noch heftigeren Regenguss abgelöst zu werden. Aber da wir schon 5 Stunden bis auf die Knochen durchgeweicht waren, hat das auch keine Rolle mehr gespielt.
Das Resultat: Wir sind in 5 Stunden und 51 Minuten auf dem komplett eingeweichten Sportfelt der Universität Kapstadt eingelaufen. Und auch Anesca, Kathrin und Julie haben ihr Ziel erreicht und ihre Bronze-Medaille erhalten!
Im Zielbereich |
Ja, es war nass... |
...und matschig
Die Socken waren mal weiss |
Respekt allen Zuschauern bei diesem Wetter |
Nach dem Zieleinlauf kamen diverse "Mitfahrer" noch auf mich zu um sich zu bedanken und es war mir eine große Freude, manchem Läufer zu einer neuen Bestzeit bei diesen Bedingungen verholfen zu haben.
Zum Glück konnte ich anschließend in das Internationale Zelt für Läufer aus aller Welt, wo mich meine Frau mit trockener Kleidung und einem Handtuch in Empfang nahm.
Endlich im Trockenen im "Internationalen Zelt" |
Es war ein fantastisches Erlebnis, meinen Geburtstag und meinen 4. Two Oceans Ultra gemeinsam feiern zu können und dann auch noch als PUMA Pacer andere Menschen unterstützen zu dürfen.
Ach ja: Die in den letzten beiden Wochen aufgetretenen Knieschmerzen waren natürlich weg ;)
Ach ja: Die in den letzten beiden Wochen aufgetretenen Knieschmerzen waren natürlich weg ;)
Vielen Dank ganz besonders an Steffi vom OMTOM Organisationsteam!
Die leicht aufgeweichte Startnummer, mein Zeitplan und die Medaille |
Die Medaille in ganzer Pracht |
Den vielen Sängern der Geburtstagsständchen und meinen Mitläufern danke ich für unvergessliche Stunden...
...und meiner Frau danke ich besonders, weil sie immer wieder viele Stunden auf mich verzichtet, wenn ich meine Trainingsläufe absolviere. Liebe Silke: Ich bin froh und dankbar, dass ich Dich habe und Du meine Leidenschaft für diesen Sport teilst und unterstützt.
Distanz: 56,0 km
Zeit: 5h 51min 59sec
Tempo: 6:17 min/km
Durchschnittliche Herzfrequenz: 153
Kcal: 5210
4 Kommentare:
Wow! Als erstes einmal nachträglich alles Gute zum Geburtstag und vor allem herzlichen Glückwunsch für das erreichen des Zieles beim Two Oceans Ultra Marathon!
Bin sehr beeindruckt und voller Hochachtung, dass die Planung und die Umsetzung so hingehauen haben und du auch so viele andere mitreißen konntest!
Hut ab!
Lieber Axel, Gratulation zu dieser Leistung -auch den Busmitgliedern-!
Das war ein ganz besonderer Geburtstag für Dich. Ich bin stolz auf Dich und froh, dass Silke -meine Schwiegertochter- Dich so unterstützt und mit Dir Deine Leidenschaft teilt.
Weiter so.
Liebe Grüsse Jürgen mit Gabi
Lieber Axel,
die Endorphine sind noch immer vorhanden. Vielen Dank an dich fuer einen super job. Ohne dich und deine Taktik haette ich mein Ziel, unter 6 Std zu laufen, wohl nicht geschafft. Es hat trotz Regen einen Riesenspass gemacht und du warst der perfekte pacemaker (Busfahrer). Herzlichen Dank. Deine Beschreibung ist schoen zu lesen und ich denke noch sehr oft an diesen Tag, ein irres Erlebnis und eine traumhafte Strecke. Ich glaube, mit Hitze haetten wir mehr gekaempft als mit dem Regen, den wir hatten.
Ich bin seit gestern wieder zu Hause, wir hatten noch eine schoene Zeit an der Westkueste.
Meine Schuhe werde ich wohl umtauschen, es ist Wasser in die Zwischensohle gekommen. Sah aus wie eine Wasserwaage im Schuh. Die waren nagelneu!
Alles Gute und eine verletzungsfreie Vorbereitung fuer das hoehere Ziel im Juni ;-)
Melde dich gern mal via Email oder wenn du in Muenchen bist.
LG und alles Gute
Kathrin
Email: zkathrin@web.de
Hallo Axel
Toller und interessanter Beitrag. Am besten hat mir ein Photo gefallen. Ich habe dies auf meine Homepage platziert. Passte so schön zu meinem Thema. Ich hoffe es ist für dich ok. Sonst einfach melden.
Danke und Gruss, Roger
http://www.xtri.ch
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